Motto: «Nurch das Morgenthor des Schönen Dringst du in der Erkenntnis Land.»
Nur zögernd wenden wir uns der Betrachtung einer Frage, deren Lösung ferner Forschungen wir vorbehalten möchten.
Handelt es sich doch um ein Gebiet von Tatsachen, welche von altersher die Blicke auf sich lenkte, welches mehr als manches Sonstige dazu berufen scheint die mannigfaltigsten Kulturen und Nationen zu versöhnen, ein Gebiet, welches dem Eindringen von platten Aussichten nur sehr zugÄnglich und nur allzuleicht den Vorwurf einer Lagenhaftigkeit berechtigt.
Dieses seltsames Gebiet, so schlicht in Wort, so schwerwiegend im Wesen, so ganz unbedeutend für die Einen, so vielsagend für die Anderen, ist das Gebiet des Schönen, des Ästhetischen.
Nun braucht es kaum gesagt zu werden, dass einen Begriff von solch universalen Inhalte wie den Begriff des Schönen, wir in dessen ganzen Umfange einer Besprechung nicht zu unterziehen wagen.
Aber selbst begrÄnzt auf die Natur und deren Lebewesen, dürfte das Gebiet, des Ästhetischen, als jene geistige Arena sich erweisen, wo sich der definive Kampf zum Ausfechten gelangen wird zwischen dem strengen kritischen Gedanken und der üblichen alltÄglichen Empfindung.
Nun ist diese Entfremdung beider Anschauungen offensichtlich.
Man bedenke blos, wie ganz verschieden selbiges Naturereignis sich bewertet seitens der modernen Wissenschaft und dem alltÄglichen Gefühle, sei es der in Farben aufsteigende Regenbogen, Blau des Himmels, Pracht des Abendrotes und des Schneegeglitzers.
Wie prosaisch klingt die wissenschaftliche ErklÄrung all dieser Erscheinungen, so wenig misteriös, wie das uns anziehende Farbenschpiel am Saume einer Naphtapfütze oder solches eines Sefenschaumes, wie der Glanz der Perle und des Diamanten.
Wie alltÄglich und wie wenig rÄtselhaft erscheint der Farbenglanz einer erglühten Messerschmiede und das Glitzern einer eisblumengezierten Fensterscheibe.
Und wie ganz natürlich und wie selbstredend ersteht der Wunsch den Farbenreichtum der organischen Gebilde gleicherweise auf die chemischen und physikalischen GesÄtze und VerhÄltnisse zurückzuführen, sei es das Gefieder eines Vogels, das Geflügel eines Falters.
Wie bekannt ist die Erfüllung dieses Wunsches sehr erschwert, sofern es sich um zwei Erscheinungen von ganz heterogenem Wesen handelt: einem Reiche lebloser Natur und dem Gebiete organisierten Lebens.
Wohl gelang es der modernen Wissenschaft die meisten Tatsachen oder Erscheinungen der unorganischen Natur vorlÄufig zu erklÄren durch das Aufdecken ihrer Vergangenheit, der lÄngst entschwundenen Zeiten, welche weder von dem Regenbogen etwas konnten, noch vom blauen Himmel und den Schneeflocken, der Zeit, als unsere Erdscholle, in Dampf gehüllt, der Klimazonen vollkommen entbehrte, oder spÄter, nach dem Einsetzen der Letzteren, im hohen Norden, dort, wo mit Getöse Eisschollen sich heute türnen, das Geflüster immergrünen Laubes der Subtropen man vernehmen könnte.
Alle diese grandiosen Bilder der Vergangenheit und deren Wechsel im Verlaufe von Äonen dürften heute zu den sichersten Erkenntnissen gehören. Und doch wÄre es ja ganz verkehrt von einer Genesis des blauen Himmels oder eines Regenbogens, einer Evolution des Farbenspectrums und der Schneeflocke zu reden.
Wir begreifen die almÄhlige Entstehung einer Perle und zum Teil eines Kristalles und trotzdem sprechen wir nicht von dem historischen Zustandekommen eines Dinosaurus. Und gesetzt, das Fensterglas wÄre bekannt Höhlenmenschen aus der Steinzeit, — die vom Frost erzeugten Blumenmuster auf vereisten Fenstern würden gleich dem heutigen erglitzern und die Schneeflocken von Heute fallen in denselben funkelnden Kristallen, wie vor Tausenden von Jagren auf das Fell des HöhlenbÄren und des Mommuths.
Dieses der Grund, das weder der Gelehrte, noch der Mensch des Alltags über das Historische der Schneeflocke, des Regenbogens und des blauen Himmels fragen, in der stillschweigenden Annahme, dass bei bestimmter Witterung Schneeflocken und Regenbogen unabweislich sich erzeugen.
Kurz gesagt: In schÄrfsten GegensÄtze zu dem Mamuth und dem HöhlenbÄren mangelt es dem Regenbogen und dem blauen Himmel an Historischem. Daher empfangen wir dieselben so ganz unbefangen, ohne über das Entstehen dieser PhÄnomenes zu befragen.
Wie ganz anders zeigt sich die EmpfÄngnis des Organischen und namentlich der Tierwelt, der an Farben reichten Vögel, sei es der gleich Edelsteinen flimmernden Kolibri, der so zauberhaft geschmückten Paradiesvögel, oder Phasanen.
Zwar geschiet es nur zu oft, dass im Ästhetischen Genusse schwelgenden Beschauer das Bedürfnis der Erkenntnis gleichsam zu verstummen droht. Allein für jeden, dem das höchste Gut, — das tÄtige und tÄgliche Verwundern, als Bedingung jeglicher Erkenntnis nicht erlosch, — entsteht ganz unabwendbar das Problem des Ursprungs dieser Pracht organischer Gebilde.
Im Ersuchen einer Antwort auf die Frage nach den Ursachen des «Schönen» der Naturkörper gilt es vor Allem Zweifaches zu unterscheiden, nÄmlich materielles und Ästhetisches Bewerten.
Ersteres umfasst die mannigfaltigen ErklÄrungen, wie sie von Seiten der diversen Zweigen der Zoologie geboten werden, der Hystologie und Physiologie, vermittelst des Seziermessers und Microskops.
Das zweite, das Ästhetische VerstÄndnis, stützt sich auf Gesetze, welche weder dem Seziermesser, noch Linse sich ergeben und trotzdem nicht minder positiv und wissenschaftlich sich erweisen, wie das mittelst Wage oder Band erkannte.
Als ein weiterer und wesentlicher Umstand kÄme in Betracht das Unterscheiden zwischen Farbe einerseits und einem Ornamente — andererseits. Folgende Beispiele mögen diesen Gegensatz verdeutlichen.
Bekanntlich gibt es eine Reihe Vögel, deren glÄnzendes Gefieder nur zu sehr ans Glitzern unorganischer Gebilde uns erinnert, und diegleichen Ursachen bekundet: den minutösen structurellen Bau der toten FederoberflÄche und die Lichtbrechungserscheinung. Nun möge die metallisch glÄnzende Befiederung noch so entzückend sein, wie bei gewissen Glanzstaren (Lamprotornis) — das Flimmern ihres Federkleides lÄsst sich — restlos durch dieselben Ursachen erklÄren, wie das Irrisieren einer Perle oder der erglimmten Messerschneide, also nach den Normen und Gesetzen toter, unorganischer Natur.
In gleicher Weise kann der Vögel jeglicher besonderer «Verzierungen» entbehren und trotzdem durch seine Schönheit uns bezaubern.
Als Belege des Gesagten sei hier blos an unsere nordischen Jagdfalken erinnert, welche nicht umsonst das PrÄdikat der «Edlen» tragen, trotz der Einfachheit ihrer Befiederung: schneeweiss mit dunkler Hermelinabzeichnung, oder an das Federkleid einer Polareule, desgleichen blendend weiss, auf dessen Grunde die gold-gelben grossen Augen um so ausdrucksvoller strahlten.
Allerdings, ist ja das Schöne, das Ästhetische dieser Geschöpfe nur einem Ornithologen und Naturfreunde gegeben. Leute, welche der Natur entfremdet, dürften jenem armen Kellnerburschen gleichen in der tiefergreifenden Novelle Anton Tschechov («Mord»), jenes ganz verkommenen Menschen, welcher gelegentlich sich Äusserte: «Ein Vogel sei doch blos ein Vogel und nichts Weiteres!»
Nun gibt es ja bekanntlich solche Vögel, welche selbst den blödesten Verstand zu denken geben.
Wenden wir unsere Blicke auf eine Paar ganz eingenartiger Gebilde: Zwei elastische, sehr dünne HernstrÄnge von etwa 20 Centimeter LÄnge, einseitig befranst mit sonderbaren kurzen AnhÄngen, gleich emallierter vierkantiger blassblauer LÄppchen.
Insofern derartige Gebilde — wenn auch schwÄcher ausgebildet — wir vereinzelt bei verschiedenen Vögeln finden, ist der Inhaber genannter «Flaggen- StrÄnge» offenbar unter der Vogelwelt zu suchen.
Nun, gesetzt wir wüsten diesen Vogel nicht, und es entstünde uns die Frage, wo, an welchem Körperteile diese beiden «Flaggen-StrÄnge» anzubringen wÄren? An den Flanken? an den Steuerfedern? auf dem Rücken?
Glücklicherweise ist der Inhaber der beiden Flaggen-StrÄnge wohl bekannt: er heist Pteridophora Alberti und trÄgt dieselben an den... Kopfseiten, den Schlafen!
Ein durchaus obstruses, unerwartetes Verhalten! Was den Vogel selbst, seine Befiederung betrifft, so ist dieselbe sehr bescheiden in der FÄrbung: oben dunkel, sammetschwÄrzlich, unten — düster— eckergelb, ein Äusserst simples Aussehen, das durch die beiden KopfanchÄngsel keineswegs gehoben wird, soweit dieselben, trotz der Eigenartigkeit, einer Verschönerung nicht beitragen.
Bekanntlich ist der Sinn, die biologische Bedeutung dieser KopfstrÄnge vollkommen dunkel. Ob dieselben eine Art «Antenne», AuffÄnger uns unbekannter Ätherwellen oder sonstiger Bewegungen der AthmosphÄre darstellen — lassen wir, für Heute wenigstens, dahingestellt, zumal das Weibchen dieses Vogels anscheinend der AnhÄngsel entbehrt und selbige vom Standpunkte der orthodoxer Darwinianer zu den «sekundÄren sexuellen Merkmalen» gerechnet wird.
Den Zweifelern — und durchaus berechtigten — genannter Theorie, der Annahme, dass es die Weibchen dieses Paradiesvogels gewesen, welche die mit lÄngsten AnchÄngeseln versehene MÄnnchen immer vorgezogen, liesse sich die übliche Bemerkung machen, dass wir nicht berechtigt wÄren über das Gefühl des «Schönen», oder Anziehenden bei der Vogelwelt zu urteilen, dass die uns paradox erscheinenden KopfanhÄngsel des «Schuppenparadiesvogels» sehr wohl von dessen Weibchen als ein Schmuck, vielmehr als ein Erregungsmittel anempfunden könnte.
Trotz der TrivialitÄt des Einwandes, dass das EmpfÄngnis bei den Vögeln ganz naturgemÄss vom menschlichen sich unterscheidet, lÄsst sich diese Ansicht von der «sehpferischen Wahl» der Weibchen weder positiv beweisen, noch endgültig wiederlegen.
Zwar erscheint es wenig einleuchtend beim Vogel solch minutiöse UnterscheidungsfÄhigkeit, wie in dem vorliegenden Falle, anzunehmen, das Gutheissen, Acceptieren der Bewerber mit recht vielen HornplÄttchen und das Abweisen von weniger «Celappten», doch bekanntlich schrecken von genannter Annahme die orthodoxen Darwinianer nicht zurück, geneigt manche nicht minder raffinierte Anlockungs— oder Erregungsmittel oder Merkmale zu deuten. Wie gesagt lÄsst sich genante Theorie der sekundÄren sexuellen Kennzeichen und Sexueller Zuchtwahl in genanntem Falle weder wiederlegen, noch beweisen.
Immerhin erscheint ein Umstand recht bedeutungsvoll, nÄmlich die schwerwiegende Tatsache, dass weder unser Schnuppenparadiesvogel, noch sonstige VertrÄter dieser einzigdastehender Gruppe eine Ableitung von etwaiger nahe-stehender Species gestattet.
Eine specielle und ausführliche Besprechung der so zauberhaften Prachtkleider der Paradiesvögel uns vorbehaltend (an der Hand unserer einzigdastehenden hier zu Lande Sammlung dieser rÄtselhaft erscheinenden Geschöpfe) möge hier blos eine Eigentümlichkeit ihrer Befiederung ErwÄhnung finden.
Wie bekannt, treten fast alle, teilweise ganz paradoxe Federmodifikationen und «Verzierungen» einzelner Gattungen der Paradiesvögel sehr scharf begrÄnzt und ohne die geringste gegenseitige Verbindung auf, sei es die sechs raketentragenden KopfanhÄngsel einer Parotia, oder die fadenförmigen kaum sichtbaren VerlÄngerungen der SchÄfte einzelner Schmuckfedern an den Flanken eines Seleucides.
Ja, sogar die der Gattung Paradiseinae so charackteristischen kahlschaftigen zwei FÄden oder DrÄhte, halb versunken in den schleierartigen Schmückfeder-Strömen, — dürften doch kaum bei einer Wahl seitens des Weibchens ausschlaggebend sich erweisen.
Zweierlei Schwierigkeiten sind es, welche die Annahme der «Sexuellen Selektion» für die ErklÄrung eines Schuppenparadiesvogels, so wie der meisten anderen VertrÄtern dieser Gruppe uns begegnen:
Die ganz eigenartige, zum Teile rafinierte Ausbildung der «Schmuckgebilde».
Das vollkommene Fehlen jeglichen Anklanges zwischen den ganz ungleichen Ausbildungen derselben, und somit die völlige Unmöglichkeit eine allmÄhliche Entstehung, und «phyletische Entwicklung» genannter Schmuckgebilde sich im Geiste vorzustellen.
Wahrlich, ein ganz rÄtselhaftes, seltsames Verhalten: innerhalb derselben Vogelgruppe, der Familie Paradiesvögel, einige Dutzend scharf verschiedener und rafinierter Schmuckgefider, resp. Schmuckgebilde, ohne jÄglichen Zusammenhang und ohne Spur des Hinweises auf eine gehemalige allmÄhliche phyletische Entwicklung. Dass die AnfangszustÄnde von allen dieser Zierarten von Früher ausgestorben, da den Vorderungen, dem Geschmack der Weibchen nicht genügend, — ist doch wahrlich wenig überzeugend, wie die Annahme einer solch rafinierten Divergenz der Launenhaftigkeit der Weibchen — immer das Extreme in dem Schmucke der Bewerber zu begünstigen und alles AnfÄngliche zu verwerfen.
Auf das «Mystherium» der Paradiesvögel nicht weiter eingehend, genügt es folgende zwei Eigenthümlichkeiten ihres Federkleides festzustellen:
Das eigentliche Prachtgefieder, sei es das in Strömen von diverser Farbe — blau, rot, golden, weiss-getönter zartzerschliessener Flankenfeder eigentlicher Paradiseinae, sei es die in feuerigem Gold, Smaragd und Amethist erglÄnzende Geschmeide, Brustschilde und Diademen prangende Astrapia, Parotia, Ptiloris, Lopnorina oder Falcinellus... deren zauberhafte Schönheit unser Auge, und eventuell die Blicke auch der Weibchen dieser Paradiesvögel bezaubern könnten.
Die sonderbaren, eigenartigen Gebilde, wie die draht— und fadenartigen VerlÄngerungen der SchÄfte an den Flanken eines Seleucides, oder die in Federströmen halbversunkenen, kaum sichtbaren zwei haar— und fadenförmige halbmeterlangen FederschÄfte.
Zögernd zugegeben, dass das eigentliche Prachtgefieder (Gruppe I) auch die Blicke der «Umworbenen» auf sich lenken und als sexuell erregend wirken könnten, dürfte eine gleiche Annahme bezüglich der kaum sichtbaren Gebilde zweiter Gruppe als ein rein aprioristisches und wortloses Behaupten gelten.
Insofern nun die Gebilde zweiter Gruppe ganz gewiss nichts mit dem sexuellen und dem «Schönheitssinn» zu tun haben (da bei deren Ursprung überhaupt unsichtbar für das Weibchen!), dürften auch die «Flaggen- StrÄhne» unseres Pteridophora jenseits alles sexuellen liegen und als solche zu bewerten sein.
Wie dem auch sei, ist es gerade dieses zwiefache des Federkleides dieser Paradiesvögel, das gleichzeitige Auftreten von eigentlichen «Schmuckfedern» und solcher, welche für das menschliche Gefühl blos paradox erscheint und von den Weibchen dieser Vögel (weil kaum sichtbar) übersehen wird, macht die Beurteilung des Prachtgefieders genannter Paradiesvögel voll Zweifel und Zurückhaltung.
Dieses der Grund auf andere Geschöpfe unser Augenmerk zu richten.
Wiederum ein eigenartiges Gebilde! Ein nur kurzer Blick darauf genügt um auszurufen: eine Lyra! Diese feinen StrÄhne, gleichsam Saiten innerhalb des sie umfassenden gesehnörkelten Gestelles, bedürfen keines weiteren Vergleichs um in unserem Geiste das bekannte ehrwürdige Attribut der Musen, des Apoölle, wachzurufen, das Symbol der Harmonie, des Wohllautes.
Nun wird dieses erhabene Symbol der Leier nicht dadurch entwürdigt, dass es sich in unserem Falle um den Schwanz eines sonst schlichten Vogels, des berühmten «Leierschwanzes» handelt.
Ehe wir jedoch an die Besprechung dieses zoologisch-musikalischen Symbols uns wenden, dürfte es empfohlen sein auf einen Einwand allgemeinen Inhalts einzugehen, nÄmlich die Behauptung, dass der menschliche Begriff des «Schönen» der Natur nur subjektiv und künstlich beigegeben wird, das die Naturkörper, als solche, weder schön, noch unschön, sondern blos als notwendig in ihrem Bau, in ihrem Tun und Treiben sich erweisen.
Um genannten Einwand zu begegnen, möge man vergleichen diese ausgesprochene Leierform des Schwanzes unseres Vogels, als Erzeugnis der Natur mit seit alter Zeit bekannten leierartigen Verzierungen, wie sie durch Menschenhand erzeugt an Wand — und Wasenmalereien, an GewÄnden, oder sonstiger Artikel menschlichen Bedarfes uns begegnen.
Allen diesen menschlichen Erzeugnissen wird das zu Grunde liegende Motiv der «Leier», als ein objektiv und zielbewusst erzeugtes Ornament empfangen und dagegen dem ganz analogen, der Natur entstammten Leierform des Vogelschwanzes das Dekorative abgesprochen.
Das Unlogische solchen Verfahrens dürfte augenscheinlich sein und zu der Annahme uns zwingen die Gestalt des Leierschwanzes noch weit höher zu bewundern, als die althellenischen Kunstwerke Ähnlicher Gestaltung.
Ganz naturgemÄss entsteht die Frage: Wie, auf welche Weise es zu diesem Vogelornament gekommen, welches die Beweggründe, die Ursachen gewesen, welche die Erfindungen hellenischer Erzeugnisse vorwegnehmend einem sonst simplen Vogel aus Australien zum Leierornament verhalfen, und vorerst die Frage über das historische Entstehen seiner «Leier».
Wie bekannt, verfügt der Biologe — wenigstens prinzipiell — über drei Urkunden bei dem Versuche nach der Lösung dieser Frage.
Da jedoch aus naheliegenden Gründen die palÄonthologische Urkunde in genanntem Falle wegfÄllt, bleiben blos die beiden Anderen: ein Studium der individuellen, orthogenetischen Ausbildung des Leierschwanzes und Vergleich desselben bei eventuell verschiedenen recenten Arten.
Nun erweist sich auch die zweitem die «embryologische» Methode unanwendbar, insofern wir über individuellen Wachstum und Entwicklung des Leierschwanzes nichts Bestimmtes wissen. Und so bleibt uns blos eine Vergleichung der recenten Species in ausgewachsenem Zustande übrig in der Hoffnung etwas über die ersehnten Stufen in der Ausbildung der «Leier» zu erfahren.
Leider ist der Vogel Äusserst arm an Species, sofern nur drei derselben angegeben werden und eine Vergleichung dieser Arten uns in der Beantwortung unserer Frage wenig fördern.
Von den drei bekannten «Arten» dieses Vogels, Menura superba, victoriae und Alberti, stehen die ersten zwei sich Äusserst nahe, als Lokalformen, erstere Neu-Süd-Walles, die zweite Süd-Australien bewohnend.
Dagegen ist die dritte Form, Menura Alberti, in ihrer Schwanzbildung durchaus verschieden, was in mancher Hinsicht zu bedenken giebt.
Kurz, bildlich ausgedrückt, besitzt der Vogel blos die «Saiten» ohne «Gestell», ohne der beiden Äusserst zierlich gebogenen und gefranzten Steuerfedern, welche die Leierform des Schwanzes eigentlich bedingen (denn Zerschlissenheit der Fahnen, wie sie die «Saiten» bilden, den mittleren Schwanzfedern eigen ist, kommt ja bekanntlich auch bei anderen Vogelarten vor.)
An Stelle der so schönen zert-gebogenen, gefranzten Äussersten Stossfedern strotzen zwei nurkaum Federn mit recht unförmlichen breiten Fahnen, ohne Spur der Leierform, dabei recht kurz und den zerschlissenen Innenfedern («Saiten») kaum zur HÄlfte reichend.
Ein ganz eigenartiges VerhÄltnis! Wie zwecks Wiederlegens unserer nur allzumenschlichen Vergleiches des Verlegens eines menschlichen Ästhetischen Bewertens ins Gefühl des Weibchens eines Leierschwanzes!
Denn an Stelle einer wenn auch noch so dumpfen unbewussten Neigung für das «Schöne» und «GefÄllige» — wie sie dem Weibchen der Menura superba zugeschrieben wurde, dürfte eine völlig demolierte «Leier» der Menura Alberti blos dem Geschmacke einer «Stümperin» entsprechen.
Oder, ohne darwinistische, anthropomorphe Parallele und Vergleichungen, wÄre angesichts der beiden Arten, eines eigentlichen «Leierschwanzes» und eines verunstalteten die Annahme berechtigt, dass die Vorfahren des ersten (M. superba) wegen etwas minder ausgebildeten Schwanzform (etwas weniger gebogener oder verzierter Äusserer Schwanzfedern) abgewiesen wurden und blos tadellos GeschwÄnzte «Liebhaber» Entgegenkommen fanden. Dieses — im Gebiet des Neu-Süd-Waales.
Dementgegen wÄren die im östlichen Australien lebenden Vorfahren der heutigen M. Alberti — in Sachen eines WÄhlen des Bewerbers vollkommene «Stümper», welche auch mit ganz unleierhaften Federn Vorlieb nahmen, was zu den unförmlichen Gebilden eines «Leierschwanzes» ohne Leierschwanz geführt.
In einem Falle, in Neu-Süd-Walles,— Abweisen aller wenn auch noch so wenig unvollkommner «Leier», hier — im östlichen Australien, ein Vorliebnehmen mit Gebilden, welche überhaupt die Leierform entbehrten.
Und in beiden FÄllen nichts, was auf die Spur einer historischen allmÄhlichen Entstehung, der phylogenetischen Entwicklung eines Leierschwanzes deuten könnte, insofern weder M. Alberti von der Superba, noch die Letztere von Ersterer ein Ableiten gestattet.
Gleiche EnttÄuschung bietet der Versuch des Herleitens der Gattung «Leierschwanz», Menura, von etwaigen verwandten Formen, da die einzige genannten Vögeln nahestehende Familie der Atrichornitidae mit der Art A. clamans zwar aus Australien, auf Grund rein anatomischer Daten mistimorgane) mit den LeierschwÄnzen in die Gruppe Suboscines vereinigt wird.
Etwa von Drosselgösse, ohne Spur vom Leierschwanz mit einfachem geraden Stoss ist dieser Vogel für die Genealogie der Gattung Menura völlig wertlos.
Somit steht der Leierschwanz nicht nur als Art, sondern als Gattung ganz vereinsamt, ohne jegliche Verbindung mit den übrigen Passeres, so einsam, wie der Schuppenparadiesvogel, und wie die ausnemend geschückten Paradiesvögel, trotzdem dieselben über hundert Arten zÄhlen.
Weder beim Leierschwanz, noch bei den excessiv geschmückten Paradiesvögeln (am Wenigsten für den Pteridophora) lÄsst sich eine Spur einer Phylogenese der «Verzierungen» angeben und noch weniger einer causalen, ursÄchlichen ErklÄrung des Zustandekommens aller dieser faktischen oder vermeintlichen Schmuckfedern.
Alles in Allem scheint darauf zu weisen, dass all diese Federpracht, trotz teilweiser gewisser NÄherung an die von Menschenhang erzeugte Ornamente dennoch nach Gesetzen lebloser Natur entstanden, ebenso mechanisch, wie die frost erzeugten Eisverzierungen an Fensterscheiben eines unbewohnten Hauses ohne jeden Ausblick auf Bewunderung oder Bewerten seitens eines Menschenaugens.
Dies — der Grund uns anderer Geschöpfen zuzuwenden, deren Federkleid ganz offenbar als Schmuck gedeutet werden muss und ein Empfinden, ein Bewerten ausserseits vorausgesetzt, resp. nur durch solche sich erklÄren lÄsst.
Zwie Vögel, beide einzigdastehend in der gesammten Vogelwert, beide von fabelhafter Schönheit und in ihrem wundervollem Federkleide gleichsam orientiert auf fremde Augen.
Der berühmte Phasan Argus und der der allerorts bekannte Pfau.
Sowohl der Eine, wie der Andere wurden bekanntlich seitens Darwin einer speciellen Untersuchung unterworfen und als zwei Paradebeispiele und als Beweise der allmÄhlichen Entwicklung ihres Prschgefirders, so wie dessen Ausbildung durch sexuelle Zuchtwahl dargestellt.
BeschrÄnken wir uns auf eine Besprechung blos des Pfauen, und aus nachfolgenden Gründen.
Einmal ist die Frage von der Herkunft des so wunderbaren «Pfauenaugen» im Gefieder dieses Vogels seitens Darwin etwas einseitig und wenig instruktiv gedeutet worden und zudem ist eine wirksame Beurteilung solch auffallender Prachtkleider, wie der genannten beiden Vögel, blos durch die Beobachtung am lebenden Geschöpf ersprieslich, was für den recht seltenen Argus-Fasen uns nicht gelang.
So vor Allem eine Möglichkeit das ganz allmÄhlige Zustandekommen des bekannten «Pfauenauges» innerhalb der eigenen Befiederung des Pfauen zu verfolgen und dem Heranziehen von anderen VertrÄtern der Fasanengruppe (speziell des seitens Darwin vorgeschlagenen Polyplecthon) gÄnzlich abzusehen.
Es genügt blos die in Gold erglÄnzende Befiederung des Rückens eines Pfauen nÄher anzusehen, um die ganz allmÄhlige Entwicklung des Pfauenauges Schritt für Schritt in allen Einzelheiten zu ersehen, wie ganz nach und nach, aus einem kaum bemerkbaren Beginnen, einem dunklen Tüpfel oder Strich das wunderbare dunkle Auge sich entwickelt, und je weite, je distaler um so ausdrucksvoller und vollendeter sich bildet.
Diese «progressive», fortschreitende Ausbildung der Schmuckfedern wird weiter gegen das Ende der gestirnten Federschleppe durch ein «regressives», rückgÄngiges abgelöst, durch das allmÄhliche Entschwinden, ein Verringerung des «Auges» und Ersetzten mittelst zweierlei Verzierungen: distal, am Ende des enormen purpur-bronze-gold-grünen (je nach der Beleuchtung) Federrades— durch ganz eigenartige leichte gebalförmige Gebilde, seitwÄrts an den lateralen, oder unteren (bei «radschlagender Stellung») Seitenfedern — durch massive, einseitig gold-geffrierten Fransen.
Nun ergibt sich die Berechtigung dieser drei Arten der Verzierungen in vollem Grade erst beim Ausbreiten (dem «Radschlagen») des wundervollen Federfechers, bei der Balzstellung des Pfauen: Die des Augenschmucks beraubten leichten gabelförmigen Verzierungen geben dem Fecher eine lichte würdige Vollendung, die gefranzten schweren Aussenfahnen an den lateralen (unteren) Grenzfedern — eine würdige laterale (untere) Einfassung des Ganzen.
Eben dieser Eindruck eines einheitlichen künstlerischen Ganzen ist es, welcher das centrale RÄtsel, das Mystherium des Federkleides unseres Vogels bildet.
Dieser Eindruck eines in sich selbst geschlossenen «Naturkunstwerkes» ist es, welcher einer stückweiser Entwicklung dieses «Federfechers» wiederspricht.
Man stelle sich nur vor, dass der centrale Teil des FÄchers, das mit «Augen», gleichsam Sternen übersehte, überschüttete Panno, zuvor der lateralen Einfassung, wie auch der leichten, lichten Endgabeln entbehrte und dieselben erst allmÄhlig, nach und nach entstandenen ... Nur berechtigt wÄre hier zu fragen, Wessen ideal- Ästhetischem Bedürfnis diese ideale Einfassung des Ganzen zu verdanken hat? Welchen realen Vörderer der Sternbestreute Fecher seine goldgefranzte Einfassung und seine leichten Endverzierungen verdankt? Das Sinvolle, das auf ein Äusseres Auge orientierte dieses Pfauenschwanze (eigentlich der kolossalentwickelten Oberdeckschwanzfedern), — dürfte ausser Frage stehen und es fragt sich nur, an wessen sinnvolles Empfinden dieses sinnreiche Tablau gerichtet wÄre?
Ans Empfinden alt-hellenischer oder phönizischer Seefahrer, an die Verzierungssucht der mittelalterigen Ritter, oder einen Usus früherer herrschaftlicher Kutscher ihre Mützen mit Pfauenfedern zu beschmücken?
Nein! Einzig und allein an die Empfindungen der Pfauenweibchen! Deren wirkende Bedürfnisse sollen die feenhaften Federkleider ihrer Bewerber hervorgezaubert haben!
Zweifache Vorbedingungen wÄren für solche schwerwiegende Annahme zu konstatieren.
Das Vermögen eines Vogels Farben und Zeichnungsmuster überhaupt zu unterscheiden.
Das Vermögen und die Neigung seitens Pfauenweibchen auf die Farbenpracht der MÄnnchen, deren Farbenreize zu reagieren.
Ersteres — die Farben — UnterscheidungsfÄhigkeit soweit bekannt und speciell bei Hühner nur teilweise erwiesen und zwar beschrÄnkt auf die kurzwelligen Teile des Spectrums, also Rot, Orange, Gelb, — wogegen die langwelligen Teile (Grün, Blau, Violett) von den Hühnern nicht empfunden wurden.
Desgleichen zeigten auch die langjÄhrigen — leider nur als kurze vorlÄufige Mitteiliung (1921) veröffentlichen Experimente, ausgeführt an unserem Museum von N.N. Kohts an grellgefÄrbten Papageien — ein begrÄnztes Unterscheidungsvermögen derselben in Bezug auf Farben und Zeichnungsmuster.
Nicht minder überzeugend — in negativem Sinne — ware die Versuche und Beobachtungen, ausgeführt im Moskauer Zoologischen Garten (welchem der Schreiber dieser Zeilen, als Direktor, früher — 1919-1924 — vorgestanden) speciell an Pfauen, ausgeführt von Prof. Wassiliev und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter unseres Darwin-Museums, P.P. Smolin, — welchem ich an dieser Stelle meine aufrichtigen Dank aussprechen möchte.
Die Ergebnisse dieser Beobachtungen mögen hier protokollartig kurz angegeben werden.
Eine Anzahl Pfauen, gegen 15 Stück — darunter 7-8 HÄhne — wurden in eine oben offene Voliere ausgesetzt, welche mit SchlafhÄuschen, Sitzstangen, WasserbehÄlter und FutternÄpfen versehen war.
Die Beobachtungen ergaben folgendes:
Jeder Pfauenhahn besass einen ziemlich genau lokalisierten (im Umfange weniger Quadratmeter) Balzplatz.
Ein Wegrücken, resp. Verlassen dieses Balzplatzes wurde zeitweise beobachtet in jenen FÄllen, wenn der Balzplatz unfern von dem Futternapfe sich befand, an dem das Pfauenweibchen sich gütlich machte und seit lÄngerer Zeit dem Hahne sich nicht nÄherte. Im Allgemeinen fand ein Verlassen des Balzpunktes nur selten statt.
Das Benehmen der HÄhne — recht verschieden, bei diversen Individuen, umfasst zur Zeit des Balzens folgendes: Radschlagen des Schweifes, Geschrei Niederlegen am Boden.
Vollwertige, starke HÄhne schlagen Rad andauernd, wÄhrend mehr, denn eine Stunde, schreien viel und legen sich nur selten.
Schwache, minderwertige HÄhne balzen wenig 6 höchstens 10 Minuten, rufen wenig, ruhen oft.
Was das Benehmen des Hahnes den Pfauenweibchen gegenüber betrifft so konnte eine Reihe sehr bezeichnender Momente verzeichnet werden:
Jeder Vogel — und nicht blos ein Pfauenweibchen — welcher in die «Schweifzone» geraten, erhöht die BalzaktivitÄt des Pfauenhahnes.
Andererseits ist in den weit grössten FÄllen ein Pfauenweibchen ausserhalb der Balzzone, als Regel für den Pfauenhahn so gut, wie nicht vorhanden.
Das Balzenbenehmen des Pfauenhahnes ist in folgt: Beim AnnÄhernen des Weibchens zeigt der Hahn eine erhöhte Erregung, was durch krempfhaftes Zucken der Flügel sich ergiebt. GerÄt das Weibchen in die «Schweifzone», des «Rades», so nÄhert sich der Hahn mit kleinen Schritten, neigt gegen sie den Federfecher und macht ihn erzittern.
Ist das Weibchen zur Paarung reif, so wird der Schleif vom Hahne halb eingerollt und langanhaltendem Miauen wirft sich der Hahn auf die Henne. LÄuft dieselbe fort, entfernt sie sich aus dem Bereiche der Balzzone, — hört das ersichtliche Interesse des Hahnes für die Henne auf.
Etwa zwei male gelang es zu beobachten, dass wenn das Pfauenweibchen sich nicht entfernte, innerhalb der Zone sich bewegte, sie einer Verfolgung seitens des Hahnes unterlag.
Das Benehmen des Pfauenweibchens.
Ein Aktivisieren seitens Letzterer beginnt damit, dass sie dem balzenden Hahn sich nÄhert und lÄngere Zeit in seiner NÄhe verbleibt ohne jedoch ihm gegenüber Äusserlich ein besonderes Interesse zu verkünden.
Gleich anderen Vogelarten, wird auch beim Pfauenweibchen die Entwicklung des Eierstocks und eigentliche Eierlegen ganz offenbar von dem Anwesen, der NÄhe eines Nistplatzes stimuliert. Auf offenen, von Gras entblössten PlÄtzen, nisten die Vögel nicht und paaren sich nur selten.
Dieses — die Angaben direckter Beobachtung. Die Hauptergebnisse lassen sich folgendermassen formulieren.
Vor Allem zeigt sich die BestÄtigung der grossen, ja entscheidende Rolle des physiologischen Momentes, welche das Benehmen beider Geschlechter des Pfauen zu bestimmen hat, allerdings in Verbindung mit biologisch-ökologischen VerhÄltnissen.
So, beispielsweise, die Manier jeglichen Pfauen-Hahnes einen bestimmten Balzplatz zu behalten und nicht gleichwo, bald hier, bald dort zu balzen — ist durchaus erklÄrlich, wenn wir blos bedenken, dass dem Besitzer eines umfangreichen Schweifes das Herumjagon des Hahnes nach dem Weibchen ziemlich aussichtslos erscheint, dagegen Letzterer ein rascheres Zusammentreffen mit dem zusagenden MÄnnchen sehr erleichtert.
Aus demselben Grunde lÄsst sich auch die Tatsache erklÄren, jene FÄlle, wo eine Henne, die das Sehfeld, richtiger gesagt, den Balzplatz des Hahnes verlassen hat, für denselben jedes Interesse zu verlieren scheint, denn einer Henne nachzulaufen, einer zudem zum Paaren unreifen, — wÄre doch zwecklos.
Andererseits ergiebt es sich, wie immer, wo das rein physiologische, ohne jegliche Kontrolle seitens der Biologie oder Faktoren der Umgebung sich dokumentiert, — dass die physiologischen Impulse, allein genommen zu den sinnlosen Benehmen führen, wie z.B. einem lebhafteren Balzen eines Pfauen vor einem Holzklotze, einem Steine, oder sonstigen leblosen GegenstÄnde in Abwesenheit des Weibchens.
Sehr bezeichnend ist das recht verschiedene Benehmen verschiedener PfauenhÄhne ungleichen Alters und verschiedenen Temperaments, ungleiche Dauer ihres Balzens, öfteres sich Hinlegen bei alten HÄhnen, welches Benehmen mehr als mindere Schönheit ihres Federkleides die Erfolglosigkeit den Weibchen gegenüber zu erklÄren hat.
Und endlich in Bezug auf das Benehmen dieser Letzteren betrifft, ist die Bereitschaft zu einer Paarung vollkommen durch das Anwesen von Nistgelegenheiten bedingt und am wenigsten durch relative Schönheit der Befiederung des Hahnes.
Sollte, laut der obigen Beobachtungen, das Benehmen einer Pfauenhenne das Moment einer gewissen Auswahl, einer «Sexuellen Selektion» enthalten, so allein im Sinne eines Vorziehens der mehr energischer und standhafter Bewerber, solcher HÄhne, die am lÄngsten und beharrlichsten die BalzplÄtze behalten, unabhÄngig von der Schönheit und Vollkommenheit ihrer Befiederung.
Mit anderen Worten: Sollte einer Pfauenhenne eine Wahl bevorstehen, und zwar unter zwei HÄhnen, einem feuerigen, beharrlichen Bewerber, wenn auch weniger Geschmückten, und einem noch so schönen, aber minderfeurigen, würde der Sieg gewiss dem Ersten zufallen, wie solches ja bekanntlich auch unter nicht befiederten Zweibeingen passiert (Es sei nur an die Heldin von Knut Gamsun’s Tragödie «Ein Lebensdrama») hier erinnert.
Dieses Ausschlaggebende der Physiologie ergiebt sich auch aus der Bedeutung, welche in Beantwortung seitens der Henne auf Bewerbungen des Hahnes das Anwesen oder das Wegfallen von Nistgelegenheiten bietet. Nicht so sehr das GlÄnzen des Gefieders des Bewerbers, sondern NÄhe eines Nistplatzes ist das bei Weitem Wichtigste für den Erfolg eines Bewerbens bei den Vögeln.
Kurz gesagt: Die sexuelle Reife und die NÄhe passender NistplÄtze vorausgesetzt, — nimmt eine Henne die energischen Bewerbungen des Hahnes gleichwelches Äusseren. Fehlen die NistverhÄltnisse oder die Reife des Ovarium und das beharrlichste Bemühen des Bewerbers und der schönste Schmuck des Hahnes zeigen sich als fruchtlos — der vermeintliche Ästhetismus scheitert an realer Physiologie.
Soweit die seinerzeitigen Beobachtungen und Folgerungen.
Nun ist es ja ein Leichtes zu entgegnen, dass in den erwÄhnten FÄllen, so wie deren Deutungen es sich um halb domestizierte Tiere handelte, wogegen in der freien Wildbahn die Ergebnisse ganz andere seien könnten, insofern für freilebende Tiere schwache, alte Vögel überhaupt nicht in Betracht kÄmen und an Nistgelegenheiten es doch niemals fehle, dass somit das Augenmerk der Hennen auf das Äussere ihrer Bewerber mehr gerichtet werden könnte.
Zugestanden, dass die Äusseren VerhÄltnisse oder Umgebungen in beiden FÄllen, eines wilden und domestizierten, resp. in Gefangenschaft gehaltenen Vogels, deren Benehmen stark beeinflussen, bleibt doch als unbestreitbare Tatsache in beiden FÄllen das Primat des rein Physiologischen über den blos vermuthlichen Ästhetischen und um so höher, um so stÄrker Ersteres beim freilebenden Vogel sich dokumentiert.
Auch ist ja in Betracht zu ziehen, dass bei wildlebenden Vögeln noch ein weiteres VerhÄngnis eine ruhige, gemÄchtliche Betrachtung, ein Vergleich der relativen Schönheit der Bewerber sicherlich erschweren muss: die stetige Gefahr von Haustieren.
Dieses gewiss der Grund, dass bei den Pfauen nahe stehenden Fasanen (Phasianus) der entsprechende sexuelle Akt blitzschnell geschiet, indem der Hahn (laut den Beobachtungen von N. Zarudny — dem erfahrenen Erforscher der Ornitologie von Turkestan und Persien) — falkenartig auf die Henne stösst mit Ausschluss jeglichen vorlÄufigen «Hofmachens», wie solches ja bekanntlich auch dem Haushahne nicht zukommt.
Dass bei der sogenannten «Wahl» seitens der Pfauhenne es am wenigstens auf die Vergleichung und Bewertung der Befiederung des Pfauenhahnes ankommt, — wird zum überflusse noch dadurch bewiesen, dass genannte Vögel auch in weissen und gescheckten Individuen gezüchtet werden, deren Kleider der in Farben prangenden «Augen» ganz, oder zum Teil entbehren, resp. nur in eintönigem Silberglanz bei ganz bestimmten Einfallen des Lichtes sich nur schattenhaft erblicken lassen.
Zugegeben, dass es sich bei solchen «Albinoiden» um halb domestizierte Vögel handelt, ganz im GegensÄtze zu den Wildlingen, bei denen wie bekannt die albinotischen Geschöpfe seltener zur Fortpflanzung gelangen wegen einer Abneigung von Seiten der normal gefÄrbten Tiere. Immerhin ist es doch seltsam, dass ein minutiöses, seit jahrtausenden bestehendes «Schönheitsgefühl», oder Bedürfnis der Pfauenhennen (in solches angenommen), durch die Domestikation so gÄnzlich ausser Wirkung sich erweisen sollte.
Auch der Umstand, dass der sogenannte «Schwarzschultrige» Pfau (Pavo nigripennis) gleich erfolgreich mit gemeinen Pfauenhennen, wie mit seinen halbweissen sich zu paaren pflegt, zeigt das Neutrale (in sexueller Hinsicht) seines Federkleides, wie auch der gleichfalls «schwarzflügeliche» Pavo mutieus sich keines Vorzuges dem gewöhnlichen gegenüber erfreut, und genannte Unterschiede beider Normen (Pavo cristatus und P. muticus) ganz gewiss nicht durch verschiedene «Geschmacksrichtung» der Weibchen zu erklÄren ist.
Alles in Allem haben unsere Betrachtungen dahin geführt ein Äusserst skeptisches Verhalten der «Theorie der Sexuellen Zuchtwahl» gegenüber zu behalten in der überzeugung, dass dieselbe sich in einem unlösbaren Wiederspruche mit den Tatsachen befindet und einer wissenschaftlichen Beweisführung ermangelt.
Noch einmal obige Ausführungen zusammenfassend, könnten wir deren Ergebnisse als folgende zusammenfassen.
In grellsten GegensÄtze zu der leblosen Natur, deren Erscheinungen auf die Gesetze der Chemie oder Physik zurückzuführen sind, zeigen sich im Reiche des Organischen so manche Tatsachen, welche durch Normen der Physik oder Chemie sich restlos nicht erklÄren lassen.
Ganz besonders sind es FÄlle excessiver Ornamente (oder als Solche bedeuteter), wie die eigenartigen Federgebilde der Paradiesvögel, des Leierschwanzes, und speciell des Pfaues, dessen wundervolles «Augenrad» ganz offenbar eine Bewertung ausserseits benötigt, resp. durch Vermittelung derselben erst entstehen konnte.
Die formell und ganz anthropomorphe erdachte «Theorie der sexuellen Zuchtwahl» lÄsst sich zur ErklÄrung obiger FÄlle um so weniger benutzen, als sie im auffÄlligsten Wiederspruche steht mit
dem experimentell erwiesenen beschrÄnkten Vermögen der Vögel Farben zu unterscheiden.
einem mehr, als fraglichen Vermögen in Bezug auf das Umfassen solcher zÄhlenmÄssiger Gebilde, wie die «Flaggen-AnchÄnge» des Schuppenparadiesvogels, oder die draht— und fadenförmigen VerlÄngerungen der SchÄfte an den Schmuckfedern der eigentlichen Paradieseine oder eines Seleucides.
Den Beobachtungen des Benehmens halb-domestizierten Pfauen in der Balzzeit, welche das Primat physiologischer Natur beweisen und die AbhÄngigkeit der Paarung von dem Reifezustande des Ovarium der Henne, NÄhe eines Nistplatzes und Feurigkeit des Hahnes und am Wenigsten von der minutiösen Ausschmückung des Letzteren, für dessen AbschÄtzung der Henne weder Zeit, noch Musse, noch «VerstÄndnis» zu Gebote stehen.
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Ganz ausdrücklich wÄre zu betonen, dass obzwar in negativer AbschÄtzung der Sexuellen Zuchtwahl wir den Ansichten der Psychlamarkisten uns zu nÄhern scheinen, wir deren Geistesrichtungen vollkommen ablehnen, sofern dieselben die anthropomorphen darwinistischen ErklÄrungen durch gleich erdachte psychische ersetzten, ein Verfahren, das noch unbewiesener uns scheint.
Noch weniger vermögen wir die glÄnzenden Erfolge der modernen experimentellen Forschung als Ersatz der sexuellen Zuchtwahl zu erkennen, denn obzwar die AbhÄngichkeit der Befiederung (und speciell bei Hühnervögeln) von dem Zustande der Sexualdrüsen, durch Entfernung oder Transplantieren solcher klar bewiesen wurde, — bleibt das RÄtsel des ornamentalen Kleides eines Pfauen, wie zuvor bestehen, wie zu Zeiten eines Aristoteles und Aldrovandes.
Und noch weniger ist die verzweifelt-künstliche und wenig ernst zunehmende Hypothese des «StÄrkerscheinenden», wie sie von Konrad Günther und dem ehemaligen Petersburger Professor V. Faussek vorgetragen wurde, anzunehmen: deren Deutung eines sternbesetzten Pfauenschweifes (als «Rad» geschlagen), als eines zum «Abschrecken» des Gegners dienenden Gebildes.
Die uns zu Gebote stehenden Photoaufnahmen nach dem Leben dürften ohne Weiteres ergeben, dass beim tatsÄchlichen Kampfe die Rivalen ihre Schweife hübsch zusammenlegen um den gleichgeschweiften «Duellanten» nicht durch Vorzeigen des Schweifes, sondern durch das Anwenden von Flügel-Bein— und Schnabelhieben zu vertreiben suchen.
In seinem allbekannten «Selektionsprinzip» bekennt ganz offen der doch sonst ganz überzeugte Darwinianer Professor Ludwig Plate in Bezug auf das so wunderliche Aussehen tropischer HirschkÄfer:
«Wir stehen den Geweihen und Auswüchsen der Lamelicornier zurzeit noch ohne VerstÄndnis gegenüber».
Mit weit grösseren Berechtigung müssen wir uns zu einer gleichen Unkenntnis bekennen in Bezug auf Ursprung und Bedeutung solcher «Ornamente», wie die Bildung eines Leierschwanzes oder der besternten Pracht des Pfauenschweifes.
«Wüssten wir etwas bis auf dessen Grund — wir wüssten Alles!»
In solchen laidaren, inhaltsreichen Worten Äusserte sich seinerzeit ein grosser geistreicher Gelehrter.
Könnten wir den Federschmuck eines Pteridiphora, eines Pfauen restlos, bis auf den Grund erklÄren — das Mystherium des Weltall lÄge aufgedeckt, entschleiert klar vor unseren Augen.
Den zu orthodoxen Darwinianern sei hier an das schöne Lessing-Wort erinnert von dem Reize und den Vorzügen des Weges der Erkenntnis und Suchen nach der Wahrheit, von deren völligen Beherschung wir trotz den enormen Vortschritte unseres Wissens seit den Zeiten Darwins — noch unendlich weit zu seien uns erachten.
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